Über
meine Musik
Verschiedene Pole
prägen meine Musik: Das Bekenntnis zur Verwurzelung
in der europäischen Musiktradition, die Neugier auf das Entdecken
eigener Wege, die gelassene Haltung, nicht mit Gewalt "das Neue, nie
Gehörte" erfinden zu müssen, gleichzeitig das Vertrauen darauf, dass
sich die Musik aus so vielen Parametern zusammensetzt, so dass
mindestens ein Partikel eines Stückes neu, unerhört, eigen sein kann,
auch wenn andere wiederum vertraut erscheinen. Ferner habe ich die
Überzeugung, dass, wer heute Musik schreibt, kein einziges
musikalisches Mittel auszuklammern braucht; keine Herangehensweise,
kein Material, keine Technik muss ideologisch verteufelt werden, denn
all dies gewinnt seinen Sinn oder Unsinn daraus, welchen Zusammenhang
der schöpferische Geist stiftet. Tonalität und Konsonanz sind meines
Erachtens nicht
per se abgegriffen (wie einige Komponistinnen und Komponisten auch
heute immer wieder überraschend zu beweisen in der Lage sind). Genauso
wenig wie ein tonloses Geräusch Garant für avantgardistische
Glaubwürdigkeit ist (ein Trugschluss wiederum, dem nicht wenige
zeitgenössische Komponisten aufsitzen, die sich allein deshalb
ethisch-künstlerisch abgesichert wähnen, dass sie bestimmte
Techniken verwenden, auch wenn sie nicht
in der Lage sind, ihnen einen Mehrwert über die bloße Interessantheit
oder gar den simplen Effekt hinaus einzuimpfen). Beide Elemente - die
Suche nach einer Tonalität, die das Zeitgenossentum nicht leugnet,
sowie die ins Geräuschhafte sich verlierende Kehrseite des
traditionellen Wohlklanges - finden in meiner Musik ihren Platz,
dabei in der Regel nicht als plakativ-effektvoller Gegensatz, sondern
als Extreme eines Kontinuums feiner Mischungen und Abstufungen.
Dasselbe gilt für mein Empfinden von Konsonanz und Dissonanz. Ich
fühle mich nicht der Verantwortung entzogen, abzuwägen,
in welchem Verhältnis Mittel und Aussage einer Komposition zueinander
stehen. Wichtig sind mir eine konsequente Haltung und schlüssige
Ästhetik, die das Abrutschen in Beliebigkeit
verhindern.
Welche
Aussagen kann meiner Überzeugung nach Musik - meine Musik -
machen? Auch
hier gibt es zwei Pole: Zunächst einmal glaube ich, dass jegliche Musik
aus sich
selbst sprechen können muss, denn Musik transportiert eben nur sich
selbst. Ein
Ton, eine Linie, eine Harmonie kann nichts anderes sein als eben
ein Ton,
eine Linie, eine Harmonie. Jede Bedeutung, die man der Musik darüber
hinaus
mitgibt, wird
nicht
präzise von einem Hörer erkannt oder wahrgenommen werden, es sei denn,
man erklärt
sie zusätzlich verbal. Ein noch so politisch engagiertes Musikstück
wird nie die
Gesellschaft verändern können, diesbezüglich braucht man sich
nicht in die
Tasche zu lügen.
Dennoch reagiere auch ich gelegentlich mit meiner Musik auf Dinge, die
mich in meinem Mensch-Sein beschäftigen: Gedanken über
gesellschaftliche Probleme,
die ich wahrnehme, Gefühle, die mich quälen (oder auch freuen). Ich
weiß aber,
dass diese Stücke Probleme nicht aus der Welt schaffen werden.
Es kümmert
diese schlicht nicht, ob ich aufgrund eines Konfliktes, eines
Missstandes, einer Katastrophe
ein Stück Musik komponiert habe *. Aber sinnlos ist es dennoch
nicht, mit der eigenen Musik auch Stellung beziehen zu wollen, denn
vielleicht
fließen die Gefühle und Gedanken, die schließlich eine Komposition
generiert haben,
in der Art in diese ein, dass sie dann reicher, ehrlicher,
unmittelbar
zwingender erscheint; nicht dadurch, dass ich ihren Hintergrund
erkläre,
sondern allein
durch die Qualität der Noten, die ich ohne den Anstoß vielleicht nicht
hätte schreiben können.
* (Schade, muss man leider
sagen, denn
schließlich gibt es doch Werke in der Musikgeschichte, die auf
herausfordernde und
humane Weise Stellung beziehen, wie z. B. das "War Requiem" von
Benjamin Britten,
einem Komponisten, dem ich mich in vieler Hinsicht sehr nahe fühle. Ihm
wurde lange - wie einigen anderen bedeutenden Komponisten auch - aus
einer ideologisch verhärteten avantgardistischen Position
heraus postmoderne Beliebigkeit
nachgesagt. Doch sein Stil weist eine absolut unbeliebige
stilistische Geschlossenheit auf, selbst über die Grenzen seiner
durchaus
unterschiedlichen Schaffensphasen hinweg!)
Musik
hat - wie jede Kunst und wie das Leben selbst -
nicht immer einfach nur schön zu sein. Sie kann und sollte ebenso
Hässliches, Rätselhaftes, vor den Kopf Stoßendes, zu Widerspruch
Reizendes usw. ausdrücken. Das heißt allerdings nicht, dass sie - wie
mancher Prediger der Avantgarde meint - überhaupt kein Recht mehr
darauf hätte, Schönheit zu suchen, da ein solches Bedürfnis dumm, faul,
oberflächlich und unwahrhaftig sei. Dies glaube ich nicht! Unsere Welt
und Lebenswirklichkeit kennt sehr vieles Hässliches. Doch wäre es
traurig, sie lediglich darauf zu reduzieren und verbissen alles, was in
ihr immer noch schön ist, ausblenden zu wollen. Allerdings
bin auch ich der Überzeugung, dass viele Erscheinungen, die
man auf den ersten Blick oder beim ersten Hören nicht unmittelbar
als schön bezeichnen würde, durch eine nähere Beschäftigung eine nie
geahnte Schönheit offenbaren können, wo man diese gar nicht vermutet
hätte. Die Offenheit, solches auch in einer vermeintlichen Fremdheit
oder gar Kargheit finden und entdecken zu wollen, ist mir ein Antrieb
für die eigene
künstlerische Entwicklung. Sie fordert mich heraus, mich selbst, meine
ästhetischen Prämissen, die sicher geglaubten Fähigkeiten und
handwerklichen Arbeitsschritte zu
hinterfragen und zu überdenken. Genauso hoffe ich auf Zuhörer, die dazu
bereit sind, in meiner Musik nicht einfach die Momente zum
genussvoll zurückgelehnten
Hören zu suchen, sondern in diesen, die vordergründig eben dazu
einzuladen scheinen, Zwischenhalte, Karabinerhaken zu sehen, von
denen
aus man sich auch auf weniger abgesichertes Terrain vorwagen kann.
Ich hoffe, dass dies alles dazu beiträgt, meine Musik gleichzeitig
interessant,
spannend, berührend, ja wahrhaftig, andererseits aber auch natürlich,
organisch, unprätentiös sein
zu lassen.